Von Peter Meier, Fr. 15. Juni 2018
«Zwanzig und eins» – Bettina Mazzolini Mbenda las
Unlängst las Bettina Mazzolini aus ihrem Erstling vor interessiertem Publikum in der Buchhandlung Bäschlin Glarus. Viele kannten sich, entsprechend herzlich war die jeweilige Begrüssung. Dass die Buchautorin Teile ihres Romans vor geraumer Zeit in der Landesbibliothek präsentiert hat, fand ebenso Erwähnung wie das Lektorat durch Swantje Kammerecker.
Gaby Ferndriger begrüsste. Sie hatte allen Sponsoren für grosszügige Mittragen beim Werden des Projekts zu danken. Ohne diese Hilfe wäre das Erscheinen nicht möglich gewesen. Der Inhalt des Romans basiert auf einer Fülle von Erlebnissen und Erfahrungen, die der Autorin, Mutter von zwei dunkelhäutigen Kindern, widerfahren sind. Sie schildert leidenschaftlich, ehrlich, engagiert, zuweilen unerwartet konfrontierend, führt in alles andere als alltägliche Begegnungen ein.
Die Autorin zeigte in Beantwortung verschiedener Fragen auf, dass ihre Lust am Schreiben über einige Jahre hinweg gewachsen sei, anfänglich beim Verfassen von Kurzgeschichten, die sie zum Probelesen weitergereicht habe. Es seien gute, hilfreiche Rückmeldungen eingetroffen. Einiges habe zur Änderung des Buchprojekts geführt. Das Baeschlin-Team und die für «Kulturzyt»-Zuständigen hatten rund 80 kurze Passagen aus dem Roman rausgeschrieben und als «Merkzettel» auf einer Wäscheleine aneinandergefügt. In dieser Sammlung kommen keine Allerweltsweisheiten vor. Es ist Markantes, Eigenwilliges ausgewählt worden.
In «Zwanzig und eins» kommen Geschichten vor, die von der bald 70-jährigen Lollo stammen und für die 20-jährige Enkelin Lou und deren Reise ins heimatliche Afrika bestimmt sind. Lou macht sich auf, um Spuren ihrer Familie nachzugehen, immer begleitet von Momenten aus Lollos Leben, gefüllt mit bewegenden Erfahrungen, die sie als weisse Mutter von dunkelhäutigen Kindern machte. Gemeinsam ist den beiden Frauen, dass sie einst ein Geschwister verloren haben und innerlich bereit sind, sich mit sehr belastenden Erlebnissen aus ihren zwei so verschiedenartigen Kulturen auseinanderzusetzen, engagiert, ehrlich und kraftvoll.
Bettina Mazzolinis Formulieren und Schildern ist gewöhnungsbedürftig, die Inhalte lesen sich zuweilen nicht eben leicht. Bequemes Zurücklehnen und rasches Erfassen gibt es nicht. Hin und wieder hält man inne, liest nochmals durch, versucht zu erfassen, wie Aussagen denn gemeint sind. Das begann mit den an Klammern aufgehängten Zitaten. «Niemand nur Frau, immer auch Mensch. Niemand nur Mann, immer auch Mensch» oder «Widersprüche sind keine Widersprüche, sondern Komplementärfarben» oder die Übertitelung eines Kapitels: mit «Adlerflügel-Mädchen», «Afrika, das Saatgut unserer Biografien.» Bettina Mazzolini schildert jedes Detail, verlinkt sich mit anderen Gedanken, intensiv, den Leser fordernd. Zuweilen, so scheint es, gewährt sie kaum Raum fürs Weiterspinnen eigener Intentionen, man fühlt sich eingeengt, ist gefordert. Das Gegenüberstellen der schwarzen, stets unterdrückten, mit grosser Verachtung behandelten Menschen mit dem weissen «Herrenmenschen» beansprucht ganz viel Raum. Zuweilen beginnt man sich zu fragen, ob die junge Lou mit dem Übermass an Fragen, Vermutungen, Erkenntnissen und Urteilen nicht der Gefahr des Überfordert-Seins ausgeliefert ist.
Mit dem Lesen aus verschiedensten Kapiteln erhielt man Zugang zu enorm wechselvollen Inhalten, die nicht immer nachvollziehbar sind, vielleicht so sein wollen. Bettina Mazzolinis Reichtum an Erlebtem ist weit gefasst, fordert, weckt Konfrontation. Man muss sich sorgsam hineinlesen.
Es blieb Zeit zum Verweilen, zu Gesprächen, Zeit zum Fragen und dem Gedankenaustausch, die Gastlichkeit des Raumes geniessend.